Die wundersamen Verwandlungen von Licht und Materie

(gekürzte Fassung erschienen in "Ostseezeitung", Juni 1999)

 

Die uns umgebende Natur besteht zum großen Teil aus Atomen: im Zentrum der Kern und "darüber" erhebt sich eine Art "Leiter", auf deren Sprossen (Energieniveaus) sich die  Elektronen verteilen. Findet eines von ihnen eine freie tiefer gelegene Sprosse, läßt es sich hinunterfallen. Die Wucht des Aufpralls stößt dabei wie beim Billiard ein kleines Teilchen aus dem Atom - ein Photon - welches von außen als schwacher Lichtblitz wahrgenommen werden kann. Gelingt es durch einen Trick, sehr viele Elektronen gleichzeitig (kohärent) runter springen zu lassen, kombinieren sich die Blitze zu einem starken Lichtstrahl, einem Laserstrahl. Diesen kann man jetzt umgekehrt  benutzen, um z.B. Elektronen eines Festkörpers auf ihrer Leiter nach oben zu stoßen, wodurch das Material in "helle Aufregung" gerät. Die nun einsetzende wilde Hüpferei kann man - mit viel Gefühl und Erfahrung - dazu benutzen, die Elektronen verschiedenste nützliche Dinge tun zu lassen, die längst Einzug in unseren Alltag gefunden haben: man denke an Laser im CD-Player, Laserpointer, beim Arzt, beim akuraten Schneiden von Metallen usw.

Was passiert nun, wenn man einem Elektronen einen so großen Stoß nach oben versetzen, daß es über die oberste Leitersprosse hinausschießt? Es kann sich frei bewegen, und zurück bleibt ein Ion. Bombardiert man einen Festkörper immer weiter mit Laserphotonen, wird er mehr und mehr Elektronen verlieren und sich gleichzeitig so stark erhitzen, daß schließlich ein Gas von Elektronen und Ionen übrigbleibt - ein heißes Plasma, ähnlich dem, aus dem unsere Sonne besteht und für das es auch im Forschungslabor und in der Materialbearbeitung vielfältige interessante Anwendungen gibt.

Nun ist es leicht einzusehen, daß die Energie der herausgeschlagenen Photonen umso größer  ist, je tiefer die Elektronen hinab springen. Interessanterweise ändert sich dabei die Farbe (Frequenz) des Lichtes von Rot über Blau, Ultraviolett, sogar bis hin zu Röntgenstrahlung.  Deswegen beschäftigen sich heute viele Forscher in aller Welt damit, ganz gezielt neue Materialien mit gewünschten Energie-"Sprossen"abständen herzustellen.

Neben der Frequenz des Lichtstrahls möchte man ganz gern auch seine Energie variieren können.  Die ist allerdings begrenzt - nämlich durch die Zahl der aus den Atomen herausgeschlagenen Photonen, also durch die Zahl der Elektronen, die sich  zum gleichzeitigen Absprung bewegen lassen, und läßt sich nur schwer über wenige Joule1 hinaus erhöhen. DerAusweg ist denkbar einfach und wurde vor wenigen Jahren auch technisch auf spektakuläre Weise verwirklicht: Man "staucht" den gesamten Laserstrahl auf wenige µm[1]  Länge zusammen, so daß alle Photonen fast gleichzeitig (innerhalb weniger Femtosekunden[2]) wie eine Bombe einschlagen. Das Resultat ist faszinierend: selbst den schwersten Atomen werden auf einen Schlag alle Elektronen entrissen, diese können bis fast auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden. Mehr noch - Festkörper werden durch das Licht förmlich zusammengequetscht, und  selbst so exotische Vorhersagen der Quantentheorie, wie die Verwandlung von Photonen in Materie (Elektron-Positron-Paare) sind in greifbare Nähe gerückt.  Und das alles ist erst der Anfang einer ganz neuen dramatischen Entwicklung, die der gegenwärtigen Computerrevolution in nichts nachstehen wird.

Für den Physiker ist es eine große Herausforderung im Detail zu verstehen, wie sich Materie auf so kurzen Zeiten verhält. Auch dabei eröffnen Femtosekundenlaser völlig neue Möglichkeiten - als Meßsonde von unübetroffener Empfindlichkeit und Zeitauflösung. Hier gibt es am Fachbereich Physik der Universität Rostock bemerkenswerte Erfolge. Andererseits, Experimente zu erklären bzw. neue Phänomene vorherzusagen, ist Aufgabe der Theorie. Gemeinsam mit Rostocker Wissenschaftlern, sowie Kollegen im In- und Ausland versuche ich, das Verhalten vieler Elektronen, Ionen, Atome und Photonen, ihre vielfältigen Wechselwirkungen miteinander und Verwandlungen auf diesen extrem kurzen Zeitskalen zu modellieren. Ausgangspunkt sind dabei die fundamentalen Gleichungen der Vielteilchenphysik, der Quantenfeldtheorie[3], die wir seit kurzem auf modernen Supercomputern lösen können.

Diese Modelle immer realistischer zu gestalten, um die oben genannten faszinierenden Phänomene praktisch nutzbar zu machen und neue zu entdecken, ist eine lohnende Aufgabe, bei der großer Bedarf an klugen Köpfen besteht. Um hier erfolgreich zu sein, muß man komplexe Zusammenhänge begreifen, aber in erster Linie bereits in der Schule tiefgehendes physikalisches Verständnis und solide Grundkenntnisse erwerben.   

 



 



1 1µm=0.000 001 Meter

2 1fs=0.000 000 000 000 001 Sekunden

3 s. z.B. Michael Bonitz "Quantum Kinetic Theory", Teubner Stuttgart/Leipzig 1998