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  Physik
  Kristalle aus Elektronen [24.04.2001]
In einem Kristall sind normalerweise Atome, Ionen oder auch Moleküle gitterartig im Raum angeordnet. Es gibt aber auch bizarre Kristalle - die so genannten Wignerkristalle -, die ausschließlich mit Elektronen auskommen. Bislang gelang es Wissenschaftler in Experimenten nur bedingt, diese kuriosen Gebilde herzustellen. Neue Simulationen zeigen nun aber, unter welchen Bedingungen ein solcher Kristall entsteht und offenbaren gleichzeitig einige bisher unbekannte Eigenschaften.
  Wignerkristall
Wignerkristall

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Eugen Paul Wigner
Wignerkristall
Michael Bonitz

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Kristall

Kristalle bestehen in der Regel aus Atomen oder Ionen - aber es geht auch anders: Eugen Paul Wigner sagte bereits in den dreißiger Jahren voraus, dass Elektronen unter bestimmten Bedingungen eine kristallartige Struktur ausbilden sollten, die man nach ihrem geistigen Vater auch Wignerkristall nennt. Der Wissenschaftler vermutete, dass sie bei einer geringen Elektronenanzahl auftritt, die auf einen kleinen Raumbereich beschränkt ist. Ihr Nachweis gelang erst in den siebziger Jahren - und zwar auf der Oberfläche winziger, sehr kalter Heliumtröpfchen.

Was sich experimentell als schwierig darstellt, ist auch in der Theorie eine harte Nuss: Denn einen Wignerkristall physikalisch korrekt zu beschreiben, ist kein leichtes Unterfangen, schließlich müssen sowohl die quantenmechanischen Eigenschaften eines zweidimensionalen Systems richtig erfasst, als auch die starke Coulomb-Abstoßung zwischen allen Elektronen gebührend berücksichtigt werden.

Alexei Filinov und Michael Bonitz von der Universität Rostock verwendeten zusammen mit ihren russischen Kollegen vom Moskauer Institute of Spectroscopy ein mathematisches Modell, bei dem ein kreisförmiges elektrisches Feld die Elektronen auf einem kleinen Raum festhält. Die erste Beobachtung bei ihren Simulationen war, dass sich die Elektronen in kreisförmigen Schalen anordnen, wobei auf der inneren maximal sechs Elektronen sitzen können. Fügten die Physiker weitere Elektronen hinzu, so bildete sich spontan eine zweite Schale und so weiter.

Dabei zeigte sich, dass die Elektronen in der Regel nicht fest auf ihren Schalenpositionen sitzen - vielmehr schwingen sie hin und her und können sogar von einem Platz zum anderen springen. Fällt die Temperatur unter einen bestimmten kritischen Wert, so verringern sich die Elektronen-Vibrationen schlagartig - der Elektronen-Cluster "gefriert" zu einem Kristall, in dem die Elektronen ihre Gitterplätze nicht mehr verlassen können. Allerdings ist es immer noch möglich, dass zwei Schalen mit all ihren Elektronen gegeneinander rotieren können. Verringerten die Wissenschaftler die Temperatur weiter, trat ein zweiter Phasenübergang auf, bei dem schließlich auch diese Rotationen "einfroren" - der Elektronen-Wignerkristall geht also aus der partiell geordneten Phase in einen vollkommen geordneten Zustand über.

Ein überraschendes Ergebnis beobachteten Filinov und Bonitz beim Erhöhen des Drucks: Zunächst verhielten sich die Elektronen wie eine Flüssigkeit, dann ordneten sie sich zu einem Kristall in einer partiell geordneten Phase und schließlich zu einem vollkommen geordneten Zustand. Bei noch höherem Druck kommen jedoch die Gesetze der Quantenmechanik ins Spiel, die Elektronenwölkchen beginnen sich gegenseitig zu durchdringen, der Wigner-Kristall schmilzt und das sogar bei einer (theoretischen) Temperatur von null Kelvin.

Weiterhin fanden die Forscher heraus, dass die Schmelztemperatur und der Schmelzdruck sehr stark von der Zahl der Elektronen im Cluster abhängen. Insbesondere gibt es "magische" Cluster mit spezieller Symmetrie - beispielsweise ein Cluster aus 19 Elektronen -, die eine ganz ungewöhnlich stabile zweite Phase besitzen. Wird nur ein einziges Elektron hinzugegeben, dann fällt die Übergangstemperatur zwischen den Phasen jedoch um mehr als das Tausendfache ab.

Das eröffnet völlig neue und vielversprechende Anwendungsmöglichkeiten für diese Systeme. Denn es lässt sich so einfach durch Zugabe oder Entfernen von nur einem einzelnen Elektron die Kristallisation von Elektronen steuern. Das könnte einmal zu ganz neuen elektronischen Bauelementen führen; die "Bauanleitung" dafür haben Bonitz und seine Kollegen im Prinzip geliefert.

Thorsten Krome
© wissenschaft-online
Quellen
Physical Review Letters 86(17): 3851-3854 (2001)
Physical Review Focus
Universität Rostock
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